Michael Boris: „Das ,Trömmelche‘ will ich in Köln nicht hören“

12.08.2022 | Bild.de

Samstag muss der 1. FC Köln noch in Leipzig ran – danach zählt nur Europa!

Es geht um viel Kohle für den FC. Deshalb muss Köln in den Play-offs zur Conference League (18. und 25.8.) den Fehervar FC schlagen. Coach der Ungarn ist seit Februar ein Deutscher: Michael Boris (47).

BILD: Herr Boris, Sie hatten 2009 in der 1. Pokal-Runde als Trainer von Germania Windeck gegen Schalke (0:4) in Köln ein „Heimspiel“. Donnerstag (20.30 Uhr/RTL) kehren Sie als Gast nach Müngersdorf zurück. Was löst das in Ihnen aus?

Boris: „Ich hatte meinen Scouts vor der Auslosung scherzhaft gesagt: ‚Ihr braucht keine anderen Teams zu beobachten, wir treffen eh auf Köln in den Play-offs.‘ Als ich im Auto Richtung Budapest saß, kam der Anruf, dass es tatsächlich der FC sein würde, wenn wir die 3. Runde überstehen. Was soll ich sagen? Wir sind weiter und haben die einzige deutsche Mannschaft im Wettbewerb erwischt. Das ist pures Glück und für mich persönlich ein großes Geschenk, für das ich sehr dankbar bin. 13 Jahre nach dem Pokalspiel mit Windeck schließt sich für mich der Kreis. Es ist mein erstes Profi-Spiel in Deutschland, noch dazu ein internationales. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, habe viele Kartenanfragen bekommen – auch fürs Rückspiel in Ungarn übrigens.“

BILD: Mit Windeck haben Sie vor 16 000 Fans gespielt, jetzt werden es 46 000 sein. Welche Rolle spielt die Atmosphäre?

Boris: „Ich erwarte, dass die Kölner mit ihren Fans im Rücken von der ersten Minute an eine Vollgas-Veranstaltung fahren werden. Wir werden uns taktisch, physisch, aber vor allem mental darauf intensiv vorbereiten. Die meisten meiner Spieler kennen so eine Kulisse nicht. Deshalb müssen wir uns schnell im Spiel daran gewöhnen, den Respekt ablegen und versuchen dafür zu sorgen, dass im Stadion keine Euphorie aufkommt. Ich mag die kölschen Lieder sehr, aber ich möchte das ‚Trömmelche‘ an diesem Abend nicht hören. Das würde ja zumindest ein Gegentor bedeuten.“

BILD: Kennen Sie Steffen Baumgart persönlich?

Boris: „Wir hatten einmal kurz Kontakt im vergangenen Oktober beim Spiel Ostfriesland gegen die Ex-Spieler aus der DDR. Ich war Co-Trainer der Ostfriesen, wir sind uns vor dem Spiel erstmals begegnet. Seinen Weg als Trainer finde ich bemerkenswert, er hatte beim SC Paderborn seinen Stil durchgedrückt. In Köln hat er schnell verstanden, wie es beim FC funktioniert – er hat die Leidenschaft der Fans und der Stadt auf die Mannschaft projiziert. Und das sieht man in jedem Spiel. Baumgart will immer Stress provozieren, indem seine Spieler nach vorne verteidigen. Steffens Assistenten André Pawlak kenne ich dagegen persönlich sehr gut, wir sind uns als Trainer in der Regionalliga oft begegnet.“

BILD: Fehervar ist nach Ujpest Budapest in den Jahren 1965/66 im Messe-Cup sowie 1983/84 im Cup der Pokalsieger erst der zweite Gegner aus Ungarn in Kölns Europa-Historie. Wie würden Sie Ihr Team beschreiben?

Boris: „Wir haben Nationalspieler aus Ungarn und Nordmazedonien. Wir sind keine Mannschaft, die die Bälle weit nach vorne schlägt, wir haben den Ball lieber in unseren Reihen. Obwohl das gegen Köln wahrscheinlich schwierig wird. Wir müssen versuchen, Köln aus dem Pressing zu locken.“

BILD: Wie schätzen Sie die Chancen ein?

Boris: „Natürlich sind wir der Außenseiter. In K.o.-Spielen ist alles möglich. Ich hoffe auf ein Remis oder ein knappes Ergebnis in Köln, damit wir im Rückspiel noch eine Möglichkeit haben. Und ich sage auch, dass sich der ungarische Fußball in den letzten Jahren enorm entwickelt hat. Das hat ja auch die deutsche Nationalelf festgestellt...“

BILD: Wie haben Sie die Nachricht vom Modeste-Verkauf aufgenommen?

Boris (lacht): „Es hätte schlechtere News für uns geben können. Aber Köln hat auch ohne Modeste eine richtig gute Mannschaft, die sehr kompakt und unfassbar stabil spielt. Da brauche ich keinen einzelnen Spieler herauszuheben.“